Ordner Sozialleistungen

Das Gesamtvolumen der Sozialleistungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 26 Milliarden Euro gewachsen und hat damit die Summe von 1.178,5 Milliarden Euro erreicht. In absoluten Zahlen ist das ein neuer Rekord, da der Zuwachs jedoch hinter dem Anstieg der Wirt­schafts­­leistung zurück blieb, ist der Anteil der Sozialausgaben am Brutto­inlands­produkt von 32 Prozent im Jahr 2021 auf 30,5 Prozent zurück gegangen. Das geht aus einer Statistik des Bundesarbeitsministeriums zum „Sozialbudget 2022“ hervor. Ihren bisherigen Höchststand hatte die sogenannte Sozialleistungsquote im ersten Pandemie-Jahr 2020 mit 32,8 Prozent erreicht.

Die wesentliche Ursache für den leichten Rückgang der Quote der Sozialausgaben ist die deutlich geringere Kurzarbeit, die die Bundesagentur für Arbeit 2022 finanzieren musste. Während der Pandemie bezogen zeitweilig beinahe 6 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld. Die Gesamtausgaben der Arbeits­losenversicherung gingen dadurch 2022 auf knapp 33 Milliarden Euro zurück, im Vorjahr wurden noch ca. 53 Milliarden Euro ausgegeben.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht war auch 2022 ein Krisenjahr. Allerdings werden die meisten der staatlichen Ausgaben zur Abfederung hoher Energiepreise, insbesondere der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket, nicht als Sozialausgaben verbucht. Sofern mit diesen Maßnahmen der Energie- und Verkehrspolitik sozialpolitische Ziele verfolgt werden – was sicher unstrittig ist – muss man die Ausgaben dafür den den knapp 1,18 Billionen Euro noch hinzurechnen, um eine realistische Sozialausgabenquote zu erhalten. 

Überproportional stark gestiegen sind Innerhalb des Sozialbudgets die Ausgaben für die Pflegeversicherung. Unter allen Sozial­kassen schlugen sie 2022 mit 58,3 Milliarden Euro zu Buche. Das waren 6,1 Milliarden Euro oder 11,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Ebenfalls mehr als der Durchschnitt stiegen die Ausgaben für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, was die Arbeitgeber insgesamt 61,4 Milliarden Euro kostete, das waren 3,7 Milliarden Euro bzw. 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Der mit Abstand größte Einzelposten im Sozialbudget ist die gesetzliche Rentenversicherung. Im letzten Jahr betrugen die Ausgaben für die Rente knapp 365 Milliarden Euro. Darauf folgt mit etwas Abstand die gesetzliche Krankenversicherung für die rund 286 Milliarden Euro aufgewendet wurden. 

Blickt man von den absoluten Zahlen für ein Haushaltsjahr zu deren zeitlicher Entwicklung, stechen die Ausgaben für die Pflegeversicherung mit einer Zunahme seit 2010 von rund 171 Prozent heraus. Ähnlich stark zugenommen haben im gleichen Zeitraum die Aufwendungen für Kinder- und Jugendhilfe, nämlich um 136 Prozent auf über 60 Milliarden Euro. Im direkten Vergleich fällt auch auf, dass die Ausgaben für Wohngeld im vergangenen Jahr mit fast 2 Milliarden Euro nur wenig höher ausfielen als 2010. Rechnet man die Entwicklung der Inflation im gleichen Zeitraum hinzu, die sich in den Preis- und Mietsteigerungen niederschlägt, ist das Volumen des Wohngelds sogar geschrumpft. Die Regierung geht jedoch hier von einer deutlichen Zunahme infolge der Anfang 2023 in Kraft getretene Wohngeldreform aus. In der Folge werden Mehrausgaben von gut 3 Milliarden Euro pro Jahr erwartet.

Seit der Corona-Pandemie ist der Anstieg der Sozialleistungen weniger stark ausgefallen, als es die Bundesregierung 2021 prognostiziert hatte. Für 2022 war eine Quote von 32 Prozent erwartet worden, das wären 1,5 Prozentpunkte mehr, als tatsächlich ausgewiesen wird. Allerdings ist die Quote auch mit 30,5 Prozent noch höher als in der vorausgehenden Dekade, denn nach einem Anstieg auf fast 31 Prozent als Folge der Finanzkrise war sie bereits 2011 wieder unter 29 Prozent gefallen.

In diesem Bereich hatte sich die Sozialleistungsquote in den meisten Jahren seit der Wiedervereinigung 1990 bewegt. In den Wahlperioden mit den schwarz-roten Regierungen von Angela Merkel war sie allerdings bereits in den Aufschwungjahren nach der Finanzkrise kontinuierlich gestiegen und hatte 2019 wieder die Marke von 30 Prozent erreicht.

In den nächsten Jahren wird der Druck nach oben aller Voraussicht nach wieder zunehmen, denn die absehbar schleppende Wirtschaftsentwicklung dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Sozialausgaben schneller steigen als das Brutto-Inlandsprodukt. Vor allem die sogenannten Babyboomer, also die Geburtenjahrgänge 1946 bis 1964, die sich dem Ruhestand nähern oder ihn bereits erreicht haben, werden schon wegen ihrer großen Zahl für deutlich steigende Ausgaben für die Renten- und Pflegeversicherung sorgen.