Hochspannungsmasten

Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch hat weiter zugenommen. Im Jahr 2021 lag der Anteil der Erneuerbaren Energien noch bei rund 41 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Er stieg im folgenden Jahr auf 46,2 Prozent und erhöhte sich im ersten Halbjahr 2023 weiter auf rund 52 Prozent.

Immer wieder ist in der Diskussion um die in Deutschland aufgegebene Kernenergie im Zusammenhang mit der aufgrund der gleichzeitig gestiegenen Kohleverstromung verschlechterten CO2-Bilanz die Rede davon, den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 70 Prozent ausbauen zu können, ja „wenn wir nur wollten“ sogar auf 100 Prozent.

Die Vertreter dieser sehr optimistischen Auffassung verkennen dabei zweierlei: Erstens sind erneuerbare Energien hochvolatil, das heißt, sie stehen nicht in der benötigten Kontinuität zur Verfügung, da sie vor allem von der Windstärke und der Intensität der Sonneneinstrahlung abhängen. Zweitens sind sie nicht grundlastfähig, da der Verbrauch während der sogenannten Dunkelflauten – wenn nachts kein Wind weht – nicht auf Null herunter gefahren werden kann.

Als noch vergleichsweise wenig Solar- oder Windstrom ins Netz eingespeist wurde, sorgte ein gut austariertes System von verschiedenartigen Kraftwerkstypen dafür, dass immer so viel Strom erzeugt wie verbraucht wurde. Das wird künftig nicht mehr möglich sein. Die Fotovoltaik, eine der wichtigsten Säulen zukünftiger Stromerzeugung, ist nachts komplett inaktiv und liefert im Winter nur einen Bruchteil der möglichen Leistung. Dabei sind die wetterbedingten Schwankungen im Tagesverlauf noch nicht einmal berücksichtigt.

Die folgenden Zahlen verdeutlichen, wie komplex das Thema ist: Die Bundesregierung will bis 2030 insgesamt 360 Gigawatt installierte Leistung aus erneuerbaren Energien bereitstellen, davon allein 215 Gigawatt aus Solaranlagen. Der gesamte Energieverbrauch schwankt im Tagesverlauf aber lediglich zwischen etwa 40 und 80 Gigawatt. Auch wenn die installierte Leistung nicht komplett zur Verfügung steht, müssten die Erzeuger ständig abgeregelt werden, solange die erzeugte Energie nicht gespeichert werden kann. Das ist teuer und ineffizient.

Um diese Schwankungen auszugleichen, die Versorgung unterbrechungsfrei zu gewährleisten und die Preise nicht aufgrund der ständigen Abregelung noch weiter in die Höhe zu treiben, werden riesige Speicher benötigt.

Insgesamt wurden zwischen 2013 und Mitte 2023 in Deutschland etwa 7 Gigawattstunden Speicherkapazität installiert. Bis 2030 benötigt Deutschland laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) einen Ausbau auf 300 GWh, um die Volatilität der Erneuerbaren auszugleichen. Pumpspeicherkraftwerke können davon 50 GWh abdecken, weitere 100 GWh sollen stationäre Akkusysteme übernehmen und die verbleibende Hälfte, also 150 GWh würden Elektroautos beisteuern.

Die Pumpspeicher arbeiten bereits, der Rest ist reine Zukunftsmusik. Für den Aufbau bleibt jedoch nicht viel Zeit und er wird teuer. Allein für die stationären Großspeicher geht das ISE von Investitionen mit einem Volumen von 50 bis 90 Milliarden Euro aus, abhängig davon, in welchem Umfang es gelingt, die Großspeicher an den Standorten ehemaliger Kohlekraftwerke zu installieren, um deren vorhandene Netzanbindung zu nutzen.

Die Hälfte der benötigten 300 Gigawattstunden aus Elektroautos zu gewinnen, ist derzeit völlig unrealistisch, da die dafür notwendigen Ladestrukturen nicht einmal ansatzweise aufgebaut sind. Autos und Ladestationen müssten für das so genannte bidirektionale Laden aufgerüstet werden, damit sowohl Strom von der Ladestation ins Auto als auch vom Auto ins Netz fließen kann. Und die örtlichen Netzbetreiber müssen diese Technik komplett fernsteuern können. Davon sind wir derzeit meilenweit entfernt. Und selbst wenn dieser Kraftakt bis 2030 gelingen sollte, würden dafür mehr Elektroautos benötigt, als bis dahin selbst bei optimistischen Annahmen in Betrieb sein werden.

Das verdeutlicht schon eine einfache Rechnung: Autoakkus liefern durchschnittlich rund 50 Kilowattstunden. Wenn die Hälfte aller Autos jeweils 20 Prozent ihrer Ladung für die Netzstabilisierung zur Verfügung stellen würde, müssten bis 2030 immerhin 30 Millionen Elektroautos zugelassen sein, um den vom Fraunhofer ISE vorgegeben Wert von 150 GWh zu erreichen. Nur zum Vergleich: Am Jahresanfang 2023 waren in Deutschland knapp 49 Millionen PKW gemeldet, davon eine Million Elektroautos.

Der Enthusiasmus der Verfechter eines Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist zu bewundern. Aber auch wenn wir noch so sehr für eine Sache brennen, sollte uns das nicht daran hindern, die Realität im Blick zu behalten. Die besteht hier in den tatsächlichen physikalischen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ohne die wird aus Theorie sehr schnell Legende. Insbesondere die Physik lässt sich bekanntlich nicht überlisten. Wer also davon spricht, wir könnten 100 Prozent erneuerbare Energie in absehbaren Zeiträumen erreichen, wenn wir nur wollten, zeigt damit nur, dass er die komplexen Zusammenhänge der Energieversorgung nicht versteht – oder sie aus ideologischen Gründen bewusst ignoriert.

Bei aller Euphorie über die bisher erreichten Ziele wäre also eine Portion mehr Realismus angebracht.