Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger

Ungewöhnlich deutlich hat der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, die Wirtschaftspolitik der Ampelregierung kritisiert. Er sprach von verlorenem Vertrauen, fehlender Strategie und unerfüllten Erwartungen. 

Am Dienstag (23.01.2024) sagte Dulger vor Journalisten: „Die Unternehmen haben das Vertrauen in die Bundesregierung verloren. (…) Es kommt einfach nichts.“ Deutschland, so der BDA-Präsident, müsse wieder funktionieren. „Das wünschen wir uns, das wollen wir. Und uns und vor allem meinen Landesverbänden reißt mittlerweile der Geduldsfaden.“ 

Dass die Wirtschaft durchaus hart mit der Bundesregierung ins Gericht geht, ist nichts Neues. Allerdings zeigen Dulgers jüngste Äußerungen in nie da gewesener Deutlichkeit die grundlegend unterschiedlichen Wahrnehmungen der Regierungsarbeit. In den zurückliegenden 40 Jahren Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik waren die Drähte zwischen der Regierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft meist kurz. Bei allen Meinungsverschiedenheiten schafften es Wirtschaft und Politik meist, auch schwierigen Situationen sachlich über die jeweiligen Herausforderungen zu diskutieren. Daran dürfte auch die Brandrede des Arbeitgeberpräsidenten grundsätzlich nichts ändern. Im Nachgang kündigte der BDA auch an, im Gespräch mit der Bundesregierung weiterhin „konstruktiv zu bleiben“.

Gleichwohl riefen Dulgers Äußerungen im politischen Berlin postwendend sowohl Zustimmung als auch Unverständnis hervor. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben, äußerte sich erwartungsgemäß gegenüber Journalisten kritisch: „Eine schlechte wirtschaftliche Lage wurde noch nie durch Gesundbeten bereinigt – aber eben auch nicht mit Schlechtreden. Arbeitgeberpräsident Dulger macht es sich mit seiner Pauschalkritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel zu einfach.“

Houben wies auf die aus seiner Sicht bereits erzielten Erfolge der Bundesregierung hin. Dazu gehörten das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Steuerentlastungen, Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigungen sowie die Erweiterung und Diversifizierung des Energieangebots. Die Ampel arbeite an vielen Stellen am neuen Aufschwung, so Houben. Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Detzer, wies die Kritik des Arbeitgeberpräsidenten entschieden zurück. Die Bundesregierung habe in allen relevanten Bereichen geliefert. Man werde weiter alles daran setzen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Was kronkret sie mit „allen relevanten Bereichen“ meinte, sagte sie allerdings nicht.

Verena Hubertz, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, wurde noch deutlicher: „Statt mit Schnappatmung sollte sich der Arbeitgeberpräsident mit der wirtschaftlichen Realität beschäftigen. Ein DAX auf hohem Niveau und umfangreiche Dividendenzahlungen der Konzerne zeigen, dass wir doch robust durch die Energiepreis-Schocks und Corona gekommen sind.“ Wirtschaftlich stünde Deutschland deutlich besser da, als es die Stimmung im Land vermuten ließe, mutmaßte Hubertz.

Als Reaktion auf die Äußerungen des Arbeitgeber-Präsidenten erklärten Politiker der Opposition, der Unmut über die Politik der Ampel sei mittlerweile in allen Teilen und auf allen Ebenen unseres Landes spürbar. Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU, machte deutlich: „Die deutschen Unternehmen schlagen Alarm, weil dieses politische Mikromanagement und immer neue Vorgaben und Bremsen von Bundesminister Habeck erkennbar in die Sackgasse führen.“ Sie forderte, die Regierung solle die Kritik ernst nehmen und eine grundsätzliche Kurskorrektur vornehmen.

Clemens Fuest, der Direktor des Münchner Ifo-Instituts, konnte den Äußerungen Dulgers „in Teilen“ zustimmen. Denn auch der Ökonom hält die wirtschaftspolitischen Leistungen der Bundesregierung nicht für ausreichend. „Herr Dulger mahnt zu Recht an, dass die Ampel ein überzeugendes Konzept für Wirtschaftswachstum vorlegen müsste, das den aktuellen Herausforderungen wie Arbeitskräftemangel, Energieverknappung und Strukturwandel in der Industrie gerecht wird“. Aus seiner Sicht, so Fuest, würden die „unterschiedlichen Konzepte der Koalitionspartner nicht zusammenpassen“. Während das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) wiederholt argumentiert habe, Klimaschutz sei wichtiger als allgemeines Wirtschaftswachstum, setze das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) eher auf Wachstum. Das Resultat dieser grundlegenden Differenz sei, dass eine „überzeugende wirtschaftspolitische Agenda“ fehle. 

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Peter Adrian, hatte bereits Ende 2023 in vergleichbar scharfen Worten vor einem wirtschaftlichen Abschwung in Deutschland gewarnt. Der Frust bei den Unternehmen sitze tief. Investitionen blieben aus, Konjunkturerwartungen würden nach unten korrigiert und industrielle Produktion ins Ausland verlagert. Dahinter stecke eine tiefe Vertrauenskrise zwischen Wirtschaft und Politik.

Wie diese zu überwinden und der Wirtschaftsstandort durch verbesserte Rahmenbedingungen und höhere Planungssicherheit wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen sei, ist derzeit jedoch völlig offen.