Bundeswirtschaftsminister Habeck im Bundestag

Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß: Bundeswirtschaftsminister Habeck bezeichnet im aktuellen Jahreswirtschaftsbericht die Lage der deutschen Wirtschaft als „dramatisch schlecht“, sieht sogar „Anlass zur Sorge“ und korrigiert die Wachstumsprognose der Bundesregierung für 2024 von zuletzt 1,3 auf 0,2 Prozent.

Zweierlei fällt daran auf:

Erstens hat sich die Bundesregierung, allen voran der Bundeswirtschaftsminister, noch vor einem halben Jahr – der Wirtschaft ging es schon da nicht wirklich besser – die Misere schöngeredet und der Bundeskanzler gar von einem bevorstehenden „grünen Wirtschaftswunder“ fabuliert. Dann kam völlig überraschend die Wirklichkeit aus der Deckung und hat die Regierung umzingelt.

Die 1,3-Prozent vom Herbst sind nicht nur ein Indiz für die erschreckend schlechte Prognosequalität des Wirtschaftsministeriums, die jetzt vorgenommenen Korrekturen sind so drastisch und die nackten Zahlen derart schlecht, dass alle noch so verschwurbelten Interpretationsversuche sich ganz von selbst als Schönfärberei oder Zweckoptimismus entlarven würden.

Zweitens sind die von Habeck ausfindig gemachten Schuldigen für die Misere bemerkenswert: Die lahmende Weltkonjunktur, die hohen Zinsen und der Kaufkraftverlust durch die Inflation – und das alles vor dem Hintergrund der geopolitischen Krisen. Aber auf die Frage, warum diese allesamt externen Faktoren ausgerechnet Deutschland ganz offensichtlich deutlich negativer beeinflussen als andere Volkswirtschaften, hat er keine plausible Antwort. Dass unter den Verursachern der „dramatisch schlechten“ Situation die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik nicht zu finden ist, dürfte dagegen kaum jemanden überraschen.

Ist es das Resultat von Erinnerungslücken oder fortgeschrittener Realitätsverweigerung, wenn SPD-Politiker in diesem Kontext immer wieder betonen, die Ampel hätte ja einen von den Vorgängerregierungen hinterlassenen Berg von Problemen vorgefunden? Man darf höflich daran erinnern, dass es nur eine Partei gibt, die im Bund seit zehn Jahren ununterbrochen an der Macht und damit für die wirtschaftlichen Altlasten zumindest mitverantwortlich ist – die SPD selbst.

Was Bürger und Unternehmen wirklich interessiert, fehlt im Wirtschaftsbericht dagegen völlig: Welche Konsequenzen zieht die Ampelkoalition aus dem trüben Ausblick? Denn statt eine dringend notwendige und vor allem konkrete Wachstumsagenda vorzustellen, listet der Bericht einmal mehr die bekannten guten Absichten auf: ein vages Versprechen zur Entlastung, wachsweiche Bekenntnisse zu mehr öffentlichen Investitionen und der immer wieder gern genommene Bürokratie-Abbau.

Gleichzeitig wird die ohnehin magere Agenda überlagert von nicht nachlassenden Anstrengungen zum Ausbau des Sozialstaats – einhergehend mit immer mehr Lasten für die Unternehmen. SPD und Grüne sind nicht einmal in der tiefsten Krise der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten bereit oder in der Lage, ihr Ziel eines allumfassenden Sozial-Paternalismus zu korrigieren und den Unternehmen, die ja direkt und indirekt einen Großteil davon finanzieren müssen, mehr Handlungsspielraum im immer härteren globalen Wettbewerb zu verschaffen.

Es stellt sich immer drängender die Frage, ob die Ampel nicht das nötige Problembewusstsein hat oder nicht (mehr) die Kraft für einen „Agenda-Ruck“ aufbringt – oder beides.